Neuerscheinung: "Der Stoff, aus dem Konflikte sind"
Im Mai 2009 soll im Transcript-Verlag ein neues Buch zum Thema Kopftuchstreit in Deutschland erscheinen. Es wäre nicht das erste Buch. Die beiden Herausgeberinnen – Sabine Berghahn und Petra Rostock von der FU-Berlin – sind Mitglieder im Forschungteam des VEIL-Projektes in Österreich, welches die Kopftuch-Debatten, ihre ProtagonistInnen und nationale Unterschiede in den Handhabungen mit dem Kopftuch in acht europäischen Ländern untersucht. In der Vorankündigung des Verlages heißt es:
Die Kontroversen um das Kopftuchverbot haben gezeigt, dass dabei um mehr als nur ein Stück Stoff gestritten wird. Vielmehr dient der Kopftuchstreit als Projektionsfläche, auf der die verschiedenen Konfliktlinien der Einwanderungsdebatten in Europa sichtbar werden. Dieses Standardwerk lässt namhafte Autorinnen und Autoren zu Wort kommen, die aus rechts-, sozial- und kulturwissenschaftlicher Perspektive erklären, welche Werte und Prinzipien in der Auseinandersetzung um das Kopftuch zur Verhandlung stehen. Über die deutsche Debatte hinaus gibt der Band Auskunft über den Umgang mit der umstrittenen Kopfbedeckung in Österreich und der Schweiz und gewährt Einblicke in die britischen und französischen Diskussionen.
Richtig gespannt auf das Buch hat mich aber erst die angebotene Leseprobe gemacht. In dem Artikel "Das Kopftuch als das Andere. Eine notwendige postkoloniale Kritik des deutschen Rechtsdiskurses" untersucht Cengiz Barskanmaz die Kopftuch-Urteil deutscher Gerichte dahingehend, welches Bild vom Kopftuch diese Urteile eigentlich festlegen. Ein Zitat aus dem Artikel:
Der Beitrag argumentiert, dass das Kopftuch einem westlichen kulturhegemonialen Vorverständnis unterliegt, dessen Konstruktionen von Islam und Kopftuch auf einer orientalistischen Kolonialtradition aufbauen: Mit dem ›Kopftuchurteil‹ des BVerfG fanden kolonialistisch geprägte Bilder endgültig Eingang in den juristischen Diskurs und wurden mit den nachfolgenden Landesgesetzen auch positivrechtlich verankert. Damit führt der Rechtsdiskurs zu einer Hierarchisierung der Diskursteilnehmer/innen, bei der sich die Kopftuch tragende Muslimin zwar artikuliert, aber nicht gehört und so marginalisiert wird. Daher kann der deutsche Kopftuchdiskurs ohne den historisch-analytischen Bezug auf koloniale Herrschaftsverhältnisse, orientalistische Denkmuster und den hiesigen neorassistischen Antiislamdiskurs nicht angemessen analysiert werden.
Der Artikel ist wirklich lesenswert und lässt auf mehr kritische Auseinandersetzung mit der Debatte auf wissenschaftlicher Ebene hoffen.